Dienstag, 19. Januar 2016

Uyuni und Potosi - Die ersten Tage in Bolivien

Von Argentinien nach Chile und umgegekehrt zu reisen ist relativ bequem und einfach. Von Chile nach Bolivien zu kommen schon nicht mehr. Da es nur wenige Busverbindungen gibt, mussten wir einen Bus um 5:45 Uhr morgens nehmen. Zwanzig Minuten vor Abfahrt schlenderten wir also durch die verlassenen Gassen, der alles andere als einladenden Stadt Calama. Die Übernachtung im Hostel hatte sich kaum gelohnt, immerhin war es nur wenige Meter von der Abfahrtsstelle entfernt. Vor allem den Frauen, die mit uns auf den Bus warteteten, konnte man schon von weitem an ihrer Kleidung
ansehen, dass sie Bolivianerinnen waren.Alle hatten natürlich Gepäck ohne Ende, so dass man sich schon wundern konnte, was die Leute da alles mitschleppen.

Um 5:45 Uhr wurden wir langsam etwas ungeduldig, da der Bus noch immer nicht da war. Aber es gab ja noch mehr Leute, die mit uns warteten. Gut eine halbe Stunde nach der regulären Abfahrtszeit hielt ein Micro (einer der hiesigen Stadtbusse) vor uns. Laut Aussage des Busfahrers war der Bus, mit dem wir eigentlich fahren sollten, kaputt, sodass dieses Gefährt den Ersatz darstellte. Erst dachten wir, das wäre ein Witz bzw. wir hätten etwas falsch verstanden. Es schien uns unmöglich, dass die ganzen Leute, die mit uns warteten und deren Gepäck in einen so kleinen Bus passen könnten. Am Ende hat es aber doch funktioniert. Zumindest mehr oder wenige. Der Großteil des Gepäcks wurde aufs Dach geschnallt, der Rest im Gang des Busses platziert. Wir bekamen zum Glück noch einen Sitzplatz. Drei Leute mussten auf den Gepäckstücken im Gang sitzen. Total überladen, ging es so auf holprigen Strassen Richtung Bolivien.

s'Bussle

Da es noch früh am Morgen war, schliefen wir noch eine Weile. Später konnten wir noch ein bisschen die Altiplano Landschaft bewundern. Die Stadt an der Grenze, in der wir hielten, kann man getrost als Geisterstadt bezeichnen. Es gab einfach nichts.. Von den paar Zollhütten mal abgesehen. Die Formalitäten waren erstaunlich schnell gekärt, sodass es zügig weiter ging. Wir fuhren noch einige Kilometer weiter, denn mitten im Niemandsland zwischen Chile und Bolivien wurden die Busse getauscht. Von hier an ging es in einem bolivianischen Bus weiter. Wir hatten ja schon gehört, dass die bolivianischen Busse nicht so toll sein sollen. Deshalb waren wir über unseren Bus nicht sehr überrascht. Vage Erinerungen an unseren Urlaub in Indien kamen in uns hoch. Im Gegensatz zu den Bussen in Argentinien und Chile eine alte Klapperkiste ohne Klo und Komfort.

Silpancho

In Uyuni angekommen mussten wir uns erst einmal mental darauf einstellen, dass wir jetzt in Bolivien sind. Alles wirkte einfach nochmal eine Stufe älter, heruntergekommener, schmutziger und ärmer. Auf der Suche nach einem Hostel für die Nacht wunderten wir uns schon, dass wir Zelte in den Straßen sahen. Als das erste Hostel dann satte 30€ pro Person und pro Nacht verlangte, wurden wir stutzig. Nach einigen weiteren erfolglosen Versuchen ein Hostel zu finden, hatten wir schließlich doch noch Glück und erfuhren auch gleich den Grund für das Chaos in der Stadt. In zwei Tagen sollte die Rally Dakar durch Uyuni kommen. Wir bekamen deshalb auch nur ein Zimmer für zwei Nächte, denn danach war alles restlos ausgebucht (Wie auch im Rest von Uyuni). Die Dame an der Rezeption warnte uns auch gleich noch, dass schon vor der Rally alle Straßen gesperrt werden würden.


Vermutlich "nur" eins der Begleitfahrzeuge

Wir waren also mal wieder zur falschen Zeit am falschen Ort. Eigenlich wollten wir ja eine Tour zum Salar de Uyuni machen. Aufgrund der Straßensperre war aber auch das unmöglich. Uns blieben also nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Dakar anschauen, 4 Tage "verplämpern" und das ohne Unterkunft oder aber frühzeitig aus Uyuni abreisen. Wir entschieden uns für Zweiteres und beschlossen einfach später nochmal nach Uyuni zurück zukommen. Unverrichteter Dinge ging es also direkt weiter nach Potosi.

Potosi liegt mehr als 4200 Meter über dem Meeresspiegel. Zu spüren bekommt man das vorallem dadurch, dass man ziemlich schnell außer Atem gerät und ständig müde und geschafft ist. Vorallem Bianca wollte sich nicht so recht mit der Höhe anfreunden. Zumindest ich kannte Potosi früher nicht, aber es wird immerhin auch "Die Stadt die der Welt am meisten gegeben hat" genannt. Grund hierfür sind und waren Bodenschätze. Früher war es Silber, doch diese Adern sind schon längst versiegt. Heute gibt es nur noch Zinkerz zu fördern. Aufgrund der Ausbeute ist der Cerro Rico, der Berg in dem die Mineraliern gefördert werden, schon 300 Meter kleiner geworden und sieht von aussen aus, wie eine Müllhalde und von innen wie ein Schweizer Käse. Kein Wunder also, dass die Hauptattraktion von Potosi die Besichtung einer der Minen ist.

4 € alles zusammen. Einer der Vorteile von Bolivien

Direkt in unserem Hostel konnten wir für den nächsten Tag eine Tour in die Mine buchen. Morgens darauf wurden wir pünktlich abgeholt und zur Agentur gebracht. Von dort aus ging es per Bus weiter in das Viertel der Minenarbeiter, das etwas gesondert vom Rest der Stadt liegt. Auf dem dortigen Markt bekamen wir ein paar der wichtigsten Utensilien der Arbeiter erklärt: Dynamit made in Bolivien, 96% Alkohol (ja, zum trinken...) und natürlich Cocablätter. Da die Minenarbeiter kaum essen und stundenlang schwere Arbeiten verrichten, kauen alle Cocablätter die dazu führen dass das Hungergefühl nachlässt und man sich allgemein etwas betäubt. Außerdem werden die Blätter nach drei Stunden im Mund bitter, womit in etwa die Arbeitszeit geschätzt werden kann. Die Cocablätter werden auf dem Markt aus riesigen Säcken verkauft, so groß ist die Nachfrage. Jetzt nach gut zwei Wochen in Bolivien wissen wir mittlerweile, dass hier so gut wie jeder Cocablätter kaut. Also nicht nur die schwer arbeitenden Leute. Auf dem Markt sollten wir gleich noch ein paar Geschenke für die Minenarbeiter kaufen, da in der Mine, die wir besuchten, ganz normal gearbeitet wurde.

Wer weiß, wo die mal hinführten
 

Müll soweit man blicken kann

Bevor es endlich Untertage ging, bekamen wir noch Gummistiefel, Helm, Lampe und Klamotten zum überziehen; alles stielecht. Ohne unseren Guide, eine ziemlich kleine Frau, die aufgrund ihrere Größe optimal in den engen Stollen zurechtkam, hätte man den Eingang zur Mine nicht gefunden. Die ganze Gegend um den Berg ist nämlich eine einzige Müllhalde. Kaputte Loren und Gleise wechseln sich mit Schuttbergen und verlassen wirkenden Bruchbuden ab, in denen aber manchmal noch hier und da ein Arbeiter rumlungert.

Die Kumpels. Jetzt kanns schmutzig werden...

Unser Grüppchen (bestehend aus unserem Guide, sechs Argentinierinnen und uns) kam gar nicht weit, als wir laute "Achtung"- und "Zurück"-Rufe hörten. Da wir uns am Ende der Gruppe befanden, bekamen wir nicht so recht mit, was eigentlich los war. Wir hörten allerdings jemanden schluchzen und diskutieren. Kurz darauf machten wir erst mal wieder Kehrt und gingen wieder aus der Mine heraus. Eine der Argentinierinnen war nämlich eine der Loren über den Zeh und unserem Guide ans Bein gefahren. Da die Loren vollbeladen zwei Tonnen wiegen, können sie halt einfach nicht mehr gebremst werden, wenn es mal ein Stück abwärts geht. Und in den beengten Tunneln kann man sich nur möglichst flach an die Wand pressen und hoffen, dass der Abstand groß genug ist. Ein paar Cocablätter später, ging es aber allen wieder so weit gut, sodass wir einen zweiten Anlauf wagten. Diesmal sollte ich (als einziger Mann) mit gebührendem Sicherheitsabstand hinter unserem Guide gehen.


El Tio

Wir sind reich!! Ist leider nur Zinkerz

Diese Loch ist der Eingang zur Mine

Der Rest der Tour verlief ohne weitere Zwischenfälle. Zielsicher führte uns unser Guide durch das Gewirr aus Tunneln. Stellenweise konnte man schon in der Luft das Metall schmecken. Zusammen mit dem aufgewirbelten Staub und der Höhe auf der sich die Mine befindet, kam man ganz schnell außer Atem. Vorbei an einigen erschöpften Arbeitern, denen wir unsere Cocablätter- und Getränke-Geschenke überreichten, ging es immer weiter durch die engen Tunnel. Teilweise sogar kriechend. Ich glaube wir waren alle froh, wieder aus der Mine rauszukommen, auch wenn einem das gleißende Tageslicht erstmal fast geblendet hat. Und ich dachte schon, mein Job wäre schlecht... aber Minenarbeiter in Bolivien? Nein, danke! Ach und politisch gut geredet wurde übrigens auch.. (Kleiner Insider-Witz am Rande).

4 Kommentare:

  1. Die Busfahrt nach bzw. in Bolivien ist ja wirklich ein krasses Gegenstück zu den "Luxus-Busfahrten" in Chile!
    Da habt Ihr eine sehr interessante Tour in die Mine gemacht. Wenn ich mir die Fotos so betrachte, hat man eine vage Vorstellung von den üblen und gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen der Minenarbeiter.
    Euch beiden steht die Arbeitsmontur "Kumpel" übrigens sehr gut:)
    Welche Funktion hat denn "El Tio"?
    Sabine

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    1. Da der Text auch so schon lang genug war, vergaß ich es zu erwähnen.

      Die indigenen Zwangsarbeiter die von den Spaniern in die Mine verschleppt wurden, arbeiteten immer weniger, da sie lieber sterben wollten, als in der Mine weiterzuarbeiten.

      Da die Ureinwohner an die Erde, den Himmel und an sonst noch alles mögliche glaubten, kamen die Spanier auf die Idee einen Gott (bzw. Dämon) zu erfinden. Und wer nicht arbeitet, wird vom Dämon in der Mine heimgesucht.

      Gott heißt auf spanisch "Dio". Das Wort und seine Bedeutung kannten die Ureinwohner aber nicht. Deswegen wurder er "Tio" (Onkel) getauft.

      Früher der Teufel, ist er heute eher ein Schutzpaton der Mineros, dem sie Cocablätter, Tiere und Alkohol opfern. Oh und Zigratten rauchen sie mit ihm....

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    2. Danke für die Ergänzung! Jetzt bin ich ein "mg" schlauer:)
      Sabine

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  2. He. Habe schon gedacht Ihr lasst euch für die Grubenfeuerwehr ausbilden!! Da sieht man mal wie die Leute in anderen Ländern Ihr Geld verdienen müssen. Und es ist ja ziemlich eng da drin. Ihr wart sicher froh als Ihr wieder das Tageslicht erblickt habt.
    Robby

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